nachhaltiger Tourismus/sustainable tourism

Massentourismus: Wenn Touristen zur Last werden

Die jüngsten Proteste in Barcelona gegen den Massentourismus haben weltweit Aufmerksamkeit erregt. Die Bilder von Einheimischen, die Tourist:innen mit Wasserpistolen verjagen und dabei „tourists go home“ rufen, scheinen extrem, verdeutlichen aber ein wichtiges Thema das in der Tourismusindustrie oft versäumt wird: Die Einbeziehung der lokalen Bevölkerung.
Heute wollen wir als Gründungsteam von socialbnb unsere Gedanken zu den Protesten teilen und einen Blick darauf werfen, inwieweit überhaupt eine Balance zwischen ökonomischem Mehrwert und Verbesserung der Lebenssituationen für lokale Menschen im Tourismus möglich ist.


Aufstieg des Massentourismus in Barcelona

Seit den Olympischen Spielen 1992 hat sich Barcelona zu einem der beliebtesten Reiseziele in Europa entwickelt. Attraktionen wie die Sagrada Família, der Park Güell und die Strände ziehen Millionen Besucher an. Mit 1,7 Millionen Einwohnern beherbergte die Stadt 2023 fast 26 Millionen Übernachtungsgäste, die etwa 12,75 Milliarden Euro ausgaben.

Der steigende Tourismus bringt neben wirtschaftlichen Vorteilen auch Herausforderungen für die Einheimischen mit sich: Überfüllung, Lärmbelästigung, steigende Mietpreise und der Verlust lokaler Kultur sind an der Tagesordnung. Die jüngsten Demonstrationen reflektieren den dringenden Wunsch nach Gleichgewicht und Nachhaltigkeit.

Barcelona ist dabei kein Einzelfall. Solche Beschwerden sind in vielen beliebten Touristenzielen weltweit immer häufiger zu hören, weshalb viele dieser Orte Initiativen und Beschränkungen eingeführt haben, um den Massentourismus zu bekämpfen.


Braucht es eine Regulierung?

Als Reaktion auf die Proteste hat Barcelona angekündigt, ab 2028 keine neuen Ferienwohnungen für Touristen mehr zu genehmigen. Stattdessen sollen die über 10.000 bestehenden Ferienappartements wieder an Dauermieter vergeben werden, um die steigenden Mietpreise zu bremsen. Doch ob dies die Lage wirklich entspannt, bleibt fraglich.

Viele Ferienwohnungen gehören Tourismusunternehmen oder Agenturen, die mehrere Objekte mit touristischen Lizenzen vermieten und so die Mietpreise in die Höhe treiben. Mit dem Wegfall dieser Unterkünfte stellt sich die Frage, wo die wachsende Zahl an Reisenden unterkommen soll. Wahrscheinlich wird die Anzahl der Hotelbetten steigen, was die Hotelverbände freut, aber das Problem nicht löst.

Kurzfristig wird mehr Wohnraum für Einheimische verfügbar, doch das eigentliche Problem bleibt: die Ausschließung der lokalen Bevölkerung von der Tourismusindustrie.

Ein nachhaltigerer Ansatz könnte ein Umdenken in der Vergabe touristischer Lizenzen sein. Wenn diese Lizenzen verstärkt an Privatpersonen statt an große Unternehmen oder Agenturen vergeben würden, könnte dies zu einer stärkeren Mitbestimmung der lokalen Bevölkerung führen und die angespannte Lage entschärfen. Durch eine solche Maßnahme könnten Einheimische direkt von den Einnahmen profitieren, was nicht nur einen gewissen sozialen und kulturellen Ausgleich schaffen, sondern auch den Austausch zwischen Einheimischen und Touristen fördern würde.


nachhaltiger Tourismus/sustainable tourism
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Lösungsansätze

Neben diesen Maßnahmen kann eine nachhaltige Tourismusstrategie zu einer Entspannung der Lage führen. Weitere Lösungsansätze könnten sein:

Dezentralisierung des Tourismus: Förderung weniger bekannter Stadtteile und Sehenswürdigkeiten, um die Touristenströme besser zu verteilen. Entwicklung von Attraktionen und Aktivitäten außerhalb des Stadtzentrums.

Regulierung und Überwachung von Ferienwohnungen: Vergabe der Lizenzen an Privatpersonen und Eigentümer anstatt an Großfirmen und ausländische Investoren. Strenge Regeln und Kontrollen für Kurzzeitvermietungen, um die Verdrängung von Einheimischen durch steigende Mieten zu verhindern.

Einbindung der lokalen Gemeinschaft: Einbeziehung der Einwohner in die Planung und Entscheidungsprozesse rund um den Tourismus. Durchführung von regelmäßigen Umfragen.

Förderung des kulturellen Austauschs: Organisation von Veranstaltungen und Aktivitäten, die den Austausch zwischen Touristen und Einheimischen fördern.

Zeitliche Verteilung des Tourismus: Förderung des Tourismus außerhalb der Hauptsaison, um die Belastung während der Spitzenzeiten zu reduzieren.

Schaffung von Rückzugsorten für Einheimische: Einrichtung von Bereichen und Zeiten, die exklusiv den Einwohnern vorbehalten sind, um ihnen Raum für Entspannung und Erholung zu bieten.

Kulturelle Sensibilisierung: Aufklärung von Touristen über die lokalen Sitten und Gebräuche, um Missverständnisse und Konflikte zu vermeiden. Bereitstellung von Informationsmaterialien.

Förderung des Langzeitaufenthalts: Entwicklung von Programmen, die Freiwilligenarbeit und kulturellen Austausch für Touristen fördern. Regulierung der Kreuzfahrtschiffe.


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Verantwortungsvoller Tourismus in Barcelona

Ein Beispiel für ein nachhaltiges Tourismus Konzept bietet die NGO Enriquez Arte in Barcelona. Sie fördert Gemeinschaftsbildung und soziale Integration durch multikulturelle Aktivitäten, Kunst, Sport, Nachhaltigkeit und Bildung. Die NGO besitzt eine Wohnung, die sie für Kurzaufenthalte von Reisenden vermietet, um ihre gemeinnützige Arbeit zu finanzieren. Solche touristischen Modelle bieten einen echten Mehrwert, könnten jedoch durch ein Verbot von Kurzzeitvermietungen stark beeinträchtigt werden.

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Ein Blick in die Zukunft

Die Proteste in Barcelona sind eine deutliche Erinnerung daran, dass Tourismus verantwortungsvoll und achtsam angegangen werden muss. Als Reisende müssen wir uns der Auswirkungen unserer Besuche bewusst sein. Reiseanbieter müssen nach innovativen Lösungen suchen und Praktiken fördern, die der lokalen Bevölkerung zu Gute kommen und ihnen wieder Teilhabe an der Gestaltung ihrer Heimat ermöglichen.

Verantwortungsvolle Reisepraktiken können auch in Destinationen wie Barcelona dazu führen, ein Gleichgewicht zwischen dem ökonomischen Profit und einem Mehrwert für die lokalen Menschen und die ganze Destination zu erzielen.


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